
In Zürich wurde jetzt der erste Twiliner vorgestellt. Foto: ASI/Twiliner

21 Fahrgäste können im Twiliner durch Europa reisen. Foto: Twiliner

Twiliner hat Europas ersten zertifizierten Liegesitz für Reisebusse an Bord. Foto: ASI/Twiliner

Luca Bortolani und Joel Bela Bourgeois auf der Busworld 2023. Foto: Schreiber
Was lange währt, wird endlich gut: Nach rund fünf Jahren Entwicklungszeit hat das Start-up Twiliner einen bedeutenden Meilenstein erreicht. Es dauerte nicht so lange, weil es sich um ein Unternehmen aus der Schweiz handelt und ein Klischee bedient werden sollte. Es galt zwei zentrale Hürden zu überwinden, eine Messlatte lag dabei ziemlich hoch: die strengen Sicherheitsauflagen der Behörden. Die Finanzierung einer Ergänzung des Nachtzugnetzes in Europa und eine weitere ökologische Alternative zu Flugreisen lockte hingegen Geldgeber. Aber: Es wurden bisher keine Rückhaltesysteme entwickelt und zugelassen, die die sichere und komfortable Beförderung liegender Passagiere ermöglichen. Das in Deutschland in § 35i Abs. 2 der StVZO geregelte Verbot, Fahrgäste – mit Ausnahme von Kindern in Kinderwagen – in Kraftomnibussen liegend zu befördern, ist noch wirksam – und zwar auch europaweit! Dies gelte aber nicht für Fahrgäste, die durch geeignete Rückhalteeinrichtungen hinreichend geschützt sind, und für Kinder in Kinderwagen, so der entsprechende Paragraf weiter.
Hintergrund ist das „Submarining“, so TÜV- und Testingenieure zu der Situation, die das Verbot erfordern: Bei einer Notbremsung könnte ein angeschnallter, liegender Fahrgast unter dem Gurt wie ein U-Boot (engl. Submarine) hindurchtauchen. Das Twiliner-Team um Luca Bortolani, CEO und Gründer Twiliner AG, hat es aber geschafft: Zusammen mit Airline Services Interiors (ASI) wurde eine Lösung gefunden und die nötige Ingenieurskompetenz bewiesen, die auch Zuspruch von den Forschenden des Instituts für Energie- und Mobilitätsforschung IEM der Berner Fachhochschule BFH erhielt. Auch hier haben Wissenschaftler maßgeblich dazu beigetragen, den Sitz unter Einhaltung höchster Sicherheitsstandards und trotz fehlender Normierung seitens des Gesetzgebers zulassungsfähig und zertifizierbar zu machen. Das Design stammt von Joel Bela Bourgeois, der auch einer der Twiliner-Väter ist. Das extra entwickelte Rückhaltesystem für die horizontale Position ermögliche die sichere und bequeme sowie legale Beförderung liegender Passagiere durch Europa, so Bourgeois.
Twiliner entwickelte ein neuartiges Rückhaltesystem – eine Art Sicherheitsschlafsack – der auch liegende Fahrgäste bei einem Aufprall schützt. Die Sitze lassen sich in drei Positionen nutzen: aufrecht, geneigt oder vollständig horizontal. Der besondere Sitz wurde 2023 auf der Busworld als Prototyp präsentiert und ist nun in die Serienfertigung gegangen. Wer mit dem Twiliner fahren möchte, der kann ab sofort Tickets online buchen: Wie wäre es mit der Fahrt zur Busworld? Wer am 5. Oktober um 21:30 Uhr in Zürich in den Twiliner nach Brüssel steigt, kommt in der belgischen Metropole und dem Ort der Busworld morgens um 6:30 Uhr an. Die einfache Fahrt kosten 169 CHF (rund 180 EUR). Twiliner startet das Angebot der Nachtbusfahrten mit zwei Testlinien von Zürich über Bern nach Girona und Barcelona und von Zürich über Basel nach Brüssel und Amsterdam. Täglich geht es von Zürich und Basel nach Amsterdam, mit Zwischenhalten in Luxemburg, Brüssel und Rotterdam. Barcelona wird ab Zürich und Bern dreimal wöchentlich bedient – inklusive Stopp in Girona.
Die geringe Passagierzahl von nur 21 Plätzen erhöht die Fahrpreise. Für einen Wochenend-Trip nach Barcelona beginnen die Preise bei rund 330 CHF (rund 355 EUR) für Hin- und Rückfahrt. Dem gegenüber steht aber ein entspanntes Reiseerlebnis mit Privatsphäre. Die Preise werden nach Angaben von Bortolani moderat dynamisch gestaltet – früh buchen ist günstiger und Feiertage sind teurer. Wie hoch die Preise genau sein werden und wann Twiliner dann Gewinne schreiben wird, wird die Zeit zeigen. Ein direkter Vergleich mit dem Nachtzug zeigt, dass die Preise etwa im Bereich der der Nachtzüge liegen. Luca Bortolani: „Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zu Nachtzügen, im Gegenteil. Auf vielen Strecken gibt es keine Nachtzüge, und bestehende Nachtzüge können häufig die Nachfrage nicht decken. Insofern sehen wir uns als Ergänzung.“ In der vergangenen Woche präsentierte das junge Unternehmen in Zürich erstmals einen Twiliner.
Die rollende Basis ist ein Doppeldecker aus spanischer Produktion von Carrocerías Ayats. Grundlage bildet die Horizon-Baureihe, die es von 13,3 bis 14,8 Metern Länge gibt. Da Nightliner mit entsprechender Ausstattung bei den Spaniern, die seit über 100 Jahren Omnibusse bauen, eine lange Tradition haben, war das Miteinander eigentlich nur eine Frage der Zeit. Zunächst setzen die Schweizer auf den Volvo 9700 DD, den die Schweden in einer Kleinserie bei Carrus Delta in Finnland in Längen zwischen 13 und 14,8 Meter nach Kundenwünschen auflegen lassen. Twiliner entschied sich aber zum Schluss dann doch für die 14,8m lange Variante von Ayats. Eine umweltfreundlichere Alternative zu Flugreisen auf Nachtzugniveau stand von Anfang an im Mittelpunkt. Biodiesel werde in der Schweiz aus Altöl hergestellt und ist somit sozial- und umweltverträglich, wie es seitens Twiliner heißt. Damit werd die Reise mit Twiliner zehnmal klimafreundlicher als fliegen, wie Myclimate berechnet hat.
Für die ersten drei Busse muss das engagierte Twiliner-Team allerdings noch auf herkömmliche Dieselmotoren zurückgreifen. Doch auch damit bleibe Twiliner etwa so klimafreundlich wie Nachtzüge, wie Bortolani erklärt. Zum Geschäftsmodell führte Twiliner-CEO aus, dass man von Flixbus gelernt hätte: Man arbeite mit Buspartnern, die die Omnibusse anschaffen und betreiben. Zum Start sind Emile Weber aus Luxemburg und Staf Cars aus Belgien dabei, drei Twiliner sind in Auftrag gegeben und im Bau. Das Twiliner-Team kümmere sich um die Planung der Routen, der Vermarktung der Tickets und umd die Gestaltung des Kundenerlebnisses, was auch das Sitzdesign beinhalte. Die Sitze werden im Auftrag von Twiliner von einer britischen Flugsitzfirma hergestellt. (Ayats/Twiliner/omnibus.news/Sr)
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