
Andreas Pfeffer hat für Martin Scharf eine Setra ComfortClass mit einem BEV-Antrieb ausgestattet. Foto: TOZERO
Was bisher nur eine Vision von Martin Scharf war, wird ab heute Realität: In Bayern wird der erste vom klassischen Diesel- zum Elektrobus umgebaute Reisebus in den regulären Betrieb geschickt. Für das Projekt erwarb das Busunternehmen Scharf Reisen aus dem Landkreis Erding eine Setra ComfortClass der Baureihe S 516 HD. Diesel raus, Elektroantrieb rein – jetzt fährt der Reisebus ausschließlich mit Strom – lokal emissionsfrei, leise, alltagserprobt und bereit für den Reiseverkehr, wie es im Vorfeld der heutigen Premiere heißt. Das Konzept und Umbau des Elektroreisebusses erfolgten durch das Unternehmen TO ZERO mit Sitz in Thüringen und Schleswig-Holstein, das sich auf die Elektrifizierung bestehender Dieselbusse und -nutzfahrzeuge („Retrofitting“) spezialisiert hat. Für den Antrieb sorgt als Technologiepartner die Firma Voith, einer der führenden Anbieter elektrischer Antriebssysteme. Heute wird der umgebaute Stromer für den Reiseverkehr auf dem Betriebshof von Scharf Reisen in Fraunberg der Öffentlichkeit präsentiert.
Vor seiner Premiere ging der „neue“ Elektrobus auf eine große Testfahrt: von Oberbayern nach Bozen in Südtirol, quer über die Alpen. Die Reise führte über lange Autobahnetappen und den Brennerpass – über Serpentinen, Passstraßen mit Steigungen von bis zu 14 Prozent auf mehr als 1.700 Meter. „Die Fahrt nach Bozen war unser Härtetest“, sagt Martin Scharf, Geschäftsführer von Scharf Reisen. „Der Bus hat unsere Anforderungen mit Bravour erfüllt. Elektromobilität funktioniert auch im Reiseverkehr – und zwar heute schon, nicht erst in ein paar Jahren.“ Der neue Elektroantrieb liefert mit 410 kW (rund 557 PS) sogar mehr Leistung als der vorherige Dieselmotor. Die nicht-entflammbare Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) vom VW-Partner Gotion reicht für bis zu 500 Kilometer – und lässt sich in weniger als einer Stunde für 300 Kilometer nachladen. Alle Sitzplätze bleiben erhalten, auch das Gepäckvolumen verändert sich kaum.
„Wir zeigen, dass sich bestehende Busse wirtschaftlich, nachhaltig und schnell auf Elektroantrieb umrüsten lassen“, sagt Andreas Pfeffer, Mitgründer und Geschäftsführer von TO ZERO. Das sei gut fürs Klima, schone Ressourcen und senke sowohl Investitions- als auch die Betriebskosten, besonders für mittelständische Verkehrsunternehmen. Denn die Umrüstung koste mit Förderung nur etwa ein Viertel eines neuen Elektrobusses. Im Betrieb ließen sich im Vergleich zu einem Dieselbus bis zu 50 Prozent der laufenden Kosten und rund eine Million Kilogramm CO₂ einsparen. „Nachhaltiger geht es kaum“, so Pfeffer. Scharf Reisen betreibt bereits 16 Elektro-Stadtbusse im Linienverkehr – jetzt kommt der erste Elektroreisebus hinzu, der zweite wird gerade umgerüstet. Gleichzeitig hat das Unternehmen eine eigene Ladeinfrastruktur mit Photovoltaikanlage errichtet. „Für uns ist Elektromobilität keine Zukunftsmusik, sondern gelebter Alltag“, sagt Martin Scharf. „Nachhaltige Mobilität ist machbar, das beweisen wir jeden Tag. Der elektrische Reisebus ist wirtschaftlich, zukunftsweisend – und macht einfach Spaß. Er fährt sich souverän, ist dem Diesel technisch überlegen und bringt uns beim Klimaschutz wirklich voran.“
Die Umrüstung des Reisebusses wäre ohne die Erfahrungen aus dem Stadtverkehr nicht denkbar gewesen. Seit 2019 elektrifizieren die Gründer von TO ZERO Stadtbusse für den ÖPNV – unter anderem in Schleswig-Holstein und Schwäbisch Hall, bald auch in Köln und Hanau. Die dabei entwickelten technischen Lösungen bildeten die Grundlage für den Elektroreisebus. Während viele Städte und Länder im ÖPNV auf neue Elektrobusse setzen, verfolgt TO ZERO einen anderen Ansatz: Statt bestehende Dieselbusse außer Betrieb zu nehmen, werden sie umgerüstet – und weiter genutzt. Das sogenannte Retrofitting spart nicht nur Kosten, sondern auch wertvolle Ressourcen wie Stahl, Aluminium und Elektronikkomponenten.
„Es ist weder nachhaltig noch wirtschaftlich, funktionstüchtige Fahrzeuge stillzulegen oder ins Ausland zu exportieren, wo sie weiter Emissionen verursachen“, sagt TO-ZERO-Geschäftsführer Hans-Georg Herb. „Wir schaffen mit dem Retrofitting ein Vorbild für die Kreislaufwirtschaft im Fuhrpark.“ Auch mit Blick auf die EU-Klimaziele sieht TO ZERO dringenden Handlungsbedarf. „Bis 2030 müssen 38.000 Busse in Deutschland emissionsfrei fahren, aber die großen Hersteller liefern nicht schnell genug, um die politischen Vorgaben zu erfüllen“, so Herb. „Wir tragen dazu bei, die Lücke zu schließen – mit einer Lösung, die sofort verfügbar, bezahlbar und skalierbar ist.“ Retrofit-Projekte für die Elektrifizierung bestehender Reise- und Linienbus sind im Rahmen des aktuellen Förderprogramms des Bundesministeriums für Verkehr mit 80 Prozent förderfähig. Der aktuelle Förderaufruf läuft noch bis zum 31. August 2025. TO ZERO unterstützt interessierte Verkehrsunternehmen bei der Vorbereitung und Einreichung der Förderanträge. (TOZERO/PM/Sr)
Der Beitrag Erste BEV-ComfortClass erschien zuerst auf omnibus.news.
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