BEV-Busse, China & Design

Peirong Zhu und Eric Song von King Long sind stolz auf die Auszeichnung für den Merry Combo. Foto: Schreiber

Noch ein Prototyp, ab 2025 in Serie zu haben: Der Merry Combo BEV-Reisebus von King Long. Interessant: Der Einzug vorne, ein Novum beim Busdesign. Foto: Schreiber

Klassische Fensterlinie, formschön neu verpackt und in ein ansprechendes Heck überführt. Foto: Schreiber

Auch für den Fahrgastraum hat King Long neue Ideen umgesetzt, die denen einer BusinessClass in Flugzeugen entsprechen. Foto: King Long

Beim Fahrerarbeitsplatz des Merry Combo setzt sich fort, was schon auf der Busworld zu sehen war: Das digitale Zeitalter und das Tablet-Motiv hält Einzug… Foto: Schreiber

Auf der IAA Transportation 2024 stellten 471 Aussteller aus Deutschland aus, 464 aus der China. Darunter auch mehrere Bushersteller. Sie sehen, wie die vielen Zulieferer aus der Volksrepublik, im europäischen Markt für sich Wachstumschancen. King Long zeigte in Hannover mit dem Merry Combo, wohin die Reise gehen könnte: Der Prototyp einer neuen Reisebus-Generation – natürlich mit BEV-Antrieb – stehe vor der Serienfertigung, es sei kein Showcar für die Messen, wie King Long in Hannover auf Nachfrage von omnibus.news erklärte. Warum wird ein externes Designstudio in Italien für die Gestaltung beauftragt? Damit der Geschmack der Europäer getroffen wird, denn hier sieht der chinesische Nutzfahrzeughersteller mittelfristig einen zweistelligen Marktanteil. Analysten gehen davon aus, dass die Hersteller aus dem Reich der Mitte in den nächsten Jahren entsprechende Marktanteile in Europa werden. Das liegt auch daran, dass dem Busmarkt massive Veränderungen bevorstehen: Der Plan der Europäischen Union sieht massive Senkungen der CO₂-Emissionen vor, die Clean Vehicle Directive für Omnibusse zwingt Busunternehmen zum Umstieg auf lokal emissionfreie Fahrzeuge. Die Mindestziele für lokal emissionsarme und -freie Busse im ÖPNV liegen für den ersten Referenzzeitraum bis Ende 2025 bei 45 Prozent und für den zweiten Zeitraum bis Ende 2030 bei 65%. Mindestens die Hälfte der Mindestziele für Busse im ÖPNV muss durch lokal emissionsfreie Fahrzeuge erfüllt werden.

Für den aktuell noch als Prototypen bezeichneten BEV-Reisebusses namens Merry Combo hat King Long eine erste Anerkennung bzw. Auszeichnung erhalten: Der Red Dot Award in der Kategorie “Design Concept” wurde vor über einem Jahrzehnt mit dem Ziel ins Leben gerufen, innovative Designkonzepte auszuzeichnen, die die Wegbereiter für außergewöhnliche Produkte von morgen sind. Nach Stadt- und Überlandbussen werden zukünftig auch Reisebusse elektrisch fahren. Und hier sieht King Long europaweit Platz für den Merry Combo, der ab 2025 geliefert werden könnte. Kommt das ausgezeichnet Design an? Ja, bei der Karosserie bzw. dem Exterieur löst sich der Merry Combo vom traditionellen kastenförmigen Busdesign. Seine vielgeschwungene Formensprache ist von Elementen der traditionellen chinesischen Kultur wie Kalligrafie und klassischem Tanz inspiriert, denn in Fernost wird statt Lineal und Stift auf den Pinsel gesetzt. Alles scheint im Fluss, schlanke, durchgehende Linien des Busses scheinen harmonisch in einem Ganzen zu enden. Neu: Bislang hat noch bei Bushersteller vorne einen derartigen Einzug umgesetzt, denn das geht auf Kosten des Fahrer- und Beifahrerplatzes… In Summe ist das Design stimmig und wohl proportiniert. Krönender Abschluss ist das Heck, keine Frage! Es sei kein chinesischer Omnibus, es sei eine Zusammenarbeit zwischen dem, was europäische Kunden wünschen und dem, was wir bauen können, erklärt Peirong Zhu, Sales Director.

King Long gibt es in China schon seit fast 40 Jahren. Mit dem Red Dot Design Award für sein Konzept eines luxuriösen Reisebusses, der die Bedürfnisse des europäischen Marktes berücksichtigt, zeigen die Chinesen, wohin die Reise geht. Spätestens die Zusammenarbeit mit Digital Sustainable Transport (DST), die King Long auf der IAA Transportation in den Fokus rückte, wird deutlich, dass das Unternehmen nun auch Betriebsdienstleistungen für Kunden anbietet, die sich für BEV-Fahrzeuge von King Long entscheiden. Das heißt, DST kümmert sich unter anderem darum, dass der Service eingehalten wird, klärt die Lademöglichkeiten ab, stellt Leasing-Angebote bereit und übernimmt am Ende des Lebenszyklus das Recycling. Zurück zum Bus: Was beim Exterieur für Aufsehen sorgt, setzt sich im Innenraum fort: Eine einfache Linienmodellierung setzt sich fort, gerne sprechen die kreativen Köpfe der chinesische Marke hier im Gespräch mit omnibus.news davon, dass bei der Gestaltung morphologische Merkmale von Terrassenfeldern und fließendem Wasser extrahiert und integriert worden seien. Das, was man nun sieht, erinnert nicht mehr an die Anfangszeiten, in denen die Anmutung des verbauten Materials im Fahrgastraum nicht an die Omnibusse aus europäischer Produktion herankam.

Beim Merry Combo hat man von Anfang an ein gewisses Anspruchsdenken verfolgt, denn der BEV-Reisebus solle besonders in Europa viele Kunden finden. Echtes Leder statt eines Imitats aus Kunststoff, eine passgenaue und saubere Verarbeitung, ein stimmiges Fugenbild, viele verbaute Komponenten sind auch optisch wertig – King Long will und kann mit dem Merry Combo schon im Prototypenstatus überzeugen. Bei einer 2+2 Bestuhlung sind 40 komfortable Sitzplätze an Bord, maximal seien 55+1+1 darstellbar, was aber der Philosophie des Fahrzeuges widersprechen würde, wie es heißt. Die Höhe des BEV-Reisebusses, die mit 3,88 Metern einem SHD oder gar Doppeldecker ziemlich nahekommt, erklärt sich durch den Platz für die Batterien (528 kW) und entsprechend Gepäckraum (zehn Kubikmeter) stehen für die Reisenden zur Verfügung. Wo und wie die Batterien verbaut seien und was sich über den Achsen befindet, wollte man bei King Long aber nicht verraten. Man darf gespannt sein, was MAN optisch und technisch auf die Räder gestellt hat, um dem Wettbewerb aus China im nächsten Jahr mit dem ersten BEV-Reisebus eines deutschen Busherstellers Paroli zu bieten…

Die IAA Transportation 2024 und der Merry Combo von King Long sind ein Beweis dafür, wie weit chinesische Hersteller in der Busindustrie nun schon sind. Auch BYD ist auf der Messe vertreten. Mit Blick auf Elektrobusse ist BYD in Europa schon angekommen, der BEV-Spezialist ist der drittgrößte Automobilproduzent der Welt und baut seit 2011 Elektrobusse. Von den 12.653 Elektrobussen, die von 2012 bis 2022 in Europa neu zugelassen worden sind, entfallen 1.410 auf die chinesische Marke – ein Marktanteil von 11 Prozent. Dass die Elektrobusse aus dem Reich der Mitte immer mehr Akzeptanz in Europa finden, zeigt auch eine weitere chinesische Marke: Yutong dominiert – mit Blick auf die Neuzulassungen >8t in 2022 – den europäischen Elektrobusmarkt. Mit 479 Zulassungen (mit +58% gegenüber 2021 ein deutliches Plus) ist die chinesische Marke in Europa angekommen. Nicht in Deutschland, sondern in vor allem in Frankreich, Großbritannien und den Ländern Skandinaviens. Auch bei Yutong hat man den europäischen Markt genau analysiert und erkannt, dass dieser eine eigene Formensprache hat. Mit dem Elektrobus U12 zeigt Yutong, dass man verstanden hat, dass in Europa mehr auf geometrische Linien mit dem Stift gezeichnet als auf etwas Freies mit dem Pinsel Gemaltes setzt.

Dass die chinesischen Hersteller mit ihren elektrischen Nutzfahrzeugen gerade jetzt in Europa in die Offensive gehen, ist kein Zufall, denn Europas Elektrifizierungspläne passen genau zum Produktportfolio. E-Fahrzeuge sind vor Jahren in China politisch verordnet worden, jeder Nutzfahrzeughersteller hat sie im Angebot. Auch im Reich der M itte weiß man, dass der Aufbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur läuft, wenn auch langsam. Auch hier gibt es eine EU-Verordnung, die die Mindestziele festgelegt hat: Bis zum Jahr 2030 müssen allein in Deutschland 314 Nutzfahrzeug-Ladestandorte stehen. Und zwar alle 60 bis 100 Kilometer entlang der wichtigsten deutschen Autobahnen. Dort werden dann vermutlich auch immer mehr Elektrobusse aus China zum Laden zu sehen sein. Am 16.09.2024 ist das Vergabeverfahren zum Aufbau eines Lkw-Schnellladenetzes entlang der Bundesautobahnen gestartet worden. Gegenstand der Ausschreibung ist die Planung, die Errichtung und der Betrieb der Schnellladeinfrastruktur für batteriebetriebene Busse auf rund 130 unbewirtschafteten Rastanlagen. (KingLong/omnibus.news/Sr)

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